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Ein wackelnder Jet eines interstellaren Kometen

7 minutes Lesezeit

Dec 29, 2025
Ein wackelnder Jet eines interstellaren Kometen

Einführung

In den letzten Jahren ist immer deutlicher geworden, dass unser Sonnensystem kein abgeschlossener Ort ist. Gelegentlich durchqueren Objekte, die um andere Sterne entstanden sind, unsere kosmische Nachbarschaft. Sie geben uns kurze, aber wertvolle Einblicke in Material, das weit außerhalb des Einflusses der Sonne entstanden ist. Einer dieser Besucher ist der interstellare Komet 3I/ATLAS. Anders als gewöhnliche Kometen, die aus den äußeren Regionen unseres Sonnensystems stammen, kommt dieses Objekt aus dem interstellaren Raum und trägt die physikalische Geschichte eines fremden Planetensystems in sich.

Eine neue wissenschaftliche Studie berichtet nun über die Entdeckung eines ungewöhnlichen und dynamischen Merkmals dieses Kometen: eines Jets aus Gas und Staub, der aus hohen Breiten der Oberfläche austritt und im Laufe der Zeit zu schwanken scheint. Diese Beobachtung, die noch vor dem sonnennächsten Punkt des Kometen gemacht wurde, eröffnet einen seltenen Blick darauf, wie interstellare Kometen aktiv werden. Für Astronomen ist das nicht nur eine Kuriosität, sondern ein wichtiger Hinweis auf Aufbau, Rotation und Oberflächenprozesse eines Körpers aus einem anderen Sternsystem.

Ein Jet, der aus dem Rahmen fällt

Wenn sich Kometen der Sonne nähern, erwärmen sie sich. Gefrorene Gase unter der Oberfläche beginnen zu verdampfen und reißen Staub mit sich, wodurch Jets entstehen, die ins All hinausschießen. Solche Jets sind bei Kometen unseres Sonnensystems gut bekannt, und ihre Eigenschaften geben Aufschluss über die Rotation und die Beschaffenheit der Oberfläche.

Der bei 3I/ATLAS beobachtete Jet ist jedoch ungewöhnlich. Er entspringt einer Region in hohen Breiten, also näher an einem der Pole des Kometen. Noch bemerkenswerter ist, dass sich seine Ausrichtung im Laufe der Zeit ändert. Der Jet wirkt, als würde er wackeln.

Dieses Wackeln ist fein, aber messbar. Es deutet darauf hin, dass die Rotationsachse des Kometen nicht völlig stabil ist oder dass sich das aktive Gebiet auf der Oberfläche relativ zur Gesamtrotation bewegt. Gerade bei einem interstellaren Objekt ist dieses Verhalten besonders interessant, weil es einen direkten Vergleich mit Kometen aus unserem eigenen Sonnensystem ermöglicht.

Aktivität vor der größten Sonnennähe

Ein entscheidender Punkt dieser Entdeckung ist der Zeitpunkt. Der Jet wurde entdeckt, bevor 3I/ATLAS sein Perihel, also den sonnennächsten Punkt seiner Bahn, erreicht hatte. Zu diesem Zeitpunkt war der Komet noch relativ weit von der Sonne entfernt und zeigte gerade erst Anzeichen von Aktivität. Dass bereits ein klar strukturierter Jet sichtbar war, spricht dafür, dass flüchtige Stoffe nahe der Oberfläche schon bei moderater Erwärmung reagieren.

Diese frühe Aktivität liefert Hinweise auf die Zusammensetzung der Oberfläche. Sie legt nahe, dass der Komet Materialien enthält, die bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen sublimieren. Da 3I/ATLAS in einem anderen Sternsystem entstanden ist, könnte seine chemische Zusammensetzung von der bekannter Kometen abweichen.

Dass der Jet klar begrenzt ist, deutet zudem darauf hin, dass die Aktivität auf bestimmte Regionen beschränkt ist. Solche lokal begrenzten Ausgasungen sind bei Kometen unseres Sonnensystems üblich. Ihr Nachweis bei einem interstellaren Kometen zeigt, dass ähnliche Prozesse offenbar auch anderswo stattfinden.

Was das Wackeln verrät

Ein wackelnder Jet ist mehr als nur ein interessantes Detail. In der Kometenforschung dienen Jets als Anzeiger für die Rotation und die auf den Körper wirkenden Kräfte. Wenn Material aus der Oberfläche entweicht, übt es einen kleinen, aber kontinuierlichen Rückstoß aus, der die Rotation beeinflussen kann.

Das beobachtete Wackeln des Jets von 3I/ATLAS könnte ein Zeichen dafür sein, dass solche Effekte bereits wirksam sind. Es könnte darauf hindeuten, dass der Komet keine gleichmäßige Rotation besitzt oder dass ungleichmäßiges Ausgasen seine Bewegung verändert. Alternativ kann auch die geometrische Anordnung von Rotationsachse und aktivem Gebiet das scheinbare Wackeln erklären.

Für Astronomen sind solche Beobachtungen besonders wertvoll, weil sie Rückschlüsse auf Eigenschaften erlauben, die sich nicht direkt messen lassen. Der Kern des Kometen ist zu klein und zu weit entfernt, um detailliert abgebildet zu werden. Das Verhalten des Jets liefert daher wichtige indirekte Informationen.

Die Bedeutung interstellarer Kometen

Interstellare Kometen sind seltene Gäste. Jeder einzelne bietet die Möglichkeit zu prüfen, ob die in unserem Sonnensystem bekannten Prozesse auch anderswo gelten. Entstehen Kometen in anderen Sternsystemen ähnlich? Reagieren sie vergleichbar auf die Erwärmung durch einen Stern? Haben sie ähnliche innere Strukturen?

Der Nachweis eines wackelnden Jets in hohen Breiten deutet darauf hin, dass interstellare Kometen zumindest teilweise vertraute Eigenschaften besitzen. Sie können lokalisierte aktive Regionen und komplexe Rotationsbewegungen zeigen. Gleichzeitig könnten feine Unterschiede Hinweise auf andere Entstehungsbedingungen liefern.

Durch die Untersuchung solcher Objekte gewinnen Astronomen Einblicke in Planetensysteme jenseits unseres eigenen, ohne sie direkt besuchen zu müssen. Jeder interstellare Besucher erweitert unser Verständnis ein Stück weiter.

Fazit

Die Entdeckung eines wackelnden Jets auf dem interstellaren Kometen 3I/ATLAS mag auf den ersten Blick unscheinbar wirken, ist aber von großer Bedeutung. Der früh beobachtete Jet zeigt, dass der Komet bereits weit vor der größten Sonnennähe aktiv ist, und liefert Hinweise auf seine Rotation und Oberflächenprozesse. Damit zeigt sich, dass selbst ein Objekt aus einem fremden Sternsystem vertraute, aber dennoch aufschlussreiche Eigenschaften besitzt.

Mit jedem weiteren interstellaren Besucher wird das Bild klarer, wie verbreitet bestimmte physikalische Prozesse im Universum sind. 3I/ATLAS erinnert uns daran, dass unser Sonnensystem Teil eines viel größeren kosmischen Zusammenhangs ist, in dem Material aus fernen Sternen gelegentlich seinen Weg zu uns findet.

Original source:
Pre-perihelion detection of a wobbling high-latitude jet in the interstellar comet 3I/ATLAS, Astronomy & Astrophysics.
https://www.aanda.org/articles/aa/pdf/2026/01/aa58072-25.pdf

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Quelle: Originalartikel